Cannabis. Der benebelnde Stoff hat in den vergangenen Jahren vielen Investoren Kopfschmerzen bereitet. Reihenweise haben Unternehmen, die sich dem Anbau oder dem Vertrieb verschrieben hatten, an den internationalen Börsenplätzen massive Wertverluste erlitten. Auch die schrittweise Legalisierung in den USA und gleich gelagerte Pläne in Deutschland ändern nichts daran, dass die Luft bei Cannabis-Investitionen vorerst draussen ist.
Die Schweiz hat im Cannabis-Hype bisher kaum eine Rolle gespielt. Ein Name, der immer wieder auftaucht, ist Medicrops. Das Start-up mit Sitz im Kanton Schwyz hat sich auf den Verkauf von medizinischem Cannabis spezialisiert. 2025 will es den Sprung aufs Börsenparkett schaffen. Bis dahin soll der Umsatz von derzeit rund 500’000 Fr. auf 15 Mio. Fr. wachsen. Für 2026 wird ein Gewinn (Ebitda) im zweistelligen Millionenbereich in Aussicht gestellt. Grosse Versprechen. Doch was ist dran an der vermeintlichen Erfolgsstory?
Medicrops erfindet sich neu
2021 berichtet «Finanz und Wirtschaft» erstmals über Medicrops. Damals verfolgt das Start-up noch das Ziel, sich in Europa als führender Anbieter von medizinischem Cannabis zu etablieren. Geplant ist eine Hightech-Produktionsstätte für medizinisches Cannabis in Nord-Mazedonien. Das Grundstück ist bereits gekauft.
Doch Medicrops gibt die Pläne auf. Auch das nächste Vorhaben, eine Produktionsstätte im Kanton Waadt auf die Beine zu stellen, scheitert. Dabei ist die Bauanlage bereits gemacht. Die Entscheidung, von der geplanten Produktionsstätte im Kanton Waadt Abstand zu nehmen, soll eine direkte Reaktion auf die durch die Ukrainekrise verursachten Lieferverzögerungen und Preiserhöhungen bei Rohstoffen gewesen sein, wie Gründer und Verwaltungsratspräsident Ivan Mestreangelo heute erklärt. «Diese Entwicklungen führen zu einer exponentiellen Steigerung der Baukosten, was ein unkalkulierbares Risiko mit sich brachte.»
2022 schliesslich der Umbruch. Medicrops wirft ihre Pläne über den Haufen. «Wir haben uns umorientiert, weg von der Produktion hin zu Distribution und Patientenversorgung», sagt Mestreangelo. Im Oktober 2023 übernimmt Medicrops zu diesem Zweck das deutsche Unternehmen Swiss Alpinopharma, das bereits medizinische Cannabis-Produkte in Deutschland auf den Markt gebracht hat. Es unterhält die Telemedizinplattform Enmedify, die als Vermittler der Cannabis-Therapie zwischen Ärzte und Patienten zusammenbringt und den Zugang zu medizinischem Cannabis vereinfacht.
Kommendes Jahr sollen 10’000 Patienten die Plattform nutzen. Die Ansage ist steil. Vergangenes Jahr waren es zuletzt monatlich rund 200 Patienten, die mit zwölf eigens für die Plattform rekrutierten Ärzten in Kontakt standen, wie aus einer im September verfassten Präsentation für Investoren hervorgeht. Insgesamt sollen es bis dato über 2000 Patienten sein, die via Enmedify behandelt wurden.
Seit Dezember hat Medicrops eine Betriebsbewilligung der Arzneimittelbehörde Swissmedic und darf hierzulande als Pharmaunternehmen auftreten. Im Januar hat sie die TopPharm Apotheke am Basler Barfüsserplatz inklusive integrierter Arztpraxis Topmed übernommen. Die Idee hinter dem Deal: Patienten sollen das THC-haltige Cannabis direkt nach einer Konsultation in der Apotheke beziehen können. Laut Medicrops soll die Apotheke ab Mitte dieses Jahres eine Schlüsselrolle im Vertriebskette spielen. Damit nicht genug: «Wir sind im M&A-Modus», sagt Mestreangelo. Derzeit habe man Ausschau nach «einem Player im Bereich personalisierte Medizin».
Börsengang für 2025 geplant
Die Ziele, die sich Medicrops für die Zeit bis zum Börsengang auf die Fahne geschrieben hat, sind ambitioniert. Eine Verdreifachung des Umsatzes binnen zwei Jahren ist selbst für ein Start-up eine enorm hohe Zielmarke.
Personen, die dem Unternehmen in der Vergangenheit nahestanden, beschrieben Medicrops als «viel Show und wenig Substanz» und attestieren eine Tendenz zur Grossspurigkeit. Ohnehin sind aus dem Umfeld von Medicrops kritische Stimmen zu hören. Wegbegleiter hätten nach kurzer Zeit den Exit aus dem Unternehmen gesucht, heisst es da etwa. Aus Angst vor Reputationsschäden.
Ebenfalls den Exit gesucht haben zwei Experten aus dem Advisory Board. Sowohl Thomas Gross, ehemaliger Chef von SIX Financial Information, als auch Fabio Otterli, Ex-Leiter Global Tax bei Julius Bär, haben das Beratergremium 2021 bereits nach kurzer Zeit verlassen.
Hinzu kommt, dass der bisherige Finanzchef Luitpold Wüsthof, der seit November 2021 für Medicrops tätig war, seit der IPO-Ankündigung im Dezember nicht mehr mit von der Partie ist. Das mutet insofern seltsam an, als ein CFO für gewöhnlich eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung eines Börsengangs einnimmt. Einen Nachfolger hat Medicrops noch nicht gefunden. Ein Problem sieht CEO Eva Vaoutsi darin aber offenbar nicht: «Wir sind derzeit bewusst ohne Finanzchef.» Es sei wichtig, eine Führungspersönlichkeit für den Posten zu rekrutieren, die nicht nur Finanzen, sondern auch den Übergang des Unternehmens in die Digitalisierungsbranche verstehe.
Untypisches Verhalten
Auch deshalb sind Zweifel angebracht, dass Medicrops tatsächlich kommendes Jahr bereits an der Börse gelistet wird. Viel zu oft schon haben sich bei Unternehmen, die mit aggressiver Kommunikation über einen künftigen Börsengang aufgefallen sind, die Pläne am Ende in Rauch aufgelöst.
In der Regel kommunizieren Gesellschaften einen Börsengang nicht so weit im Voraus. Für Steffen Wagner, CEO des Wagniskapitalgebers Verve Ventures, kommen zwei Szenarien in Betracht, wieso ein Unternehmen trotzdem so vorgeht. Es ist denkbar, dass sich ein Unternehmen durch die Ankündigung eines potenziellen Börsengangs für eine anstehende Finanzierungsrunde attraktiver erscheinen lässt. Er beobachte jedoch auch einen neuen Trend, wonach Gesellschaften offener im Hinblick auf einen geplanten Börsengang kommunizieren. Ein zu forsches Vorgehen ist gemäss Wagner allerdings nicht zu empfehlen und birgt lediglich Potenzial für Enttäuschungen. Wenn die Equity Story stimmt, dann werden Kapitalgeber so oder so investieren.»
Darauf angesprochen, wieso Medicrops bereits jetzt mit dem Börsengang weibelt, meint Mestrangelo, dass die frühzeitige Ankündigung Teil der transparenten Kommunikationsstrategie sei. «Es ermöglicht uns, einen soliden Track Record aufzubauen und das Interesse strategischer Investoren zu wecken.»
Für die laufende Pre-IPO-Runde, die letzte Finanzierungsrunde vor dem Börsengang, bei der Medicrops 24,7 Mio. Fr. von zwei bis drei strategischen Investoren aufnehmen möchte, sowie für den Bereich Investor Relations ist Gründer Mestrangelo zuständig. Auf der Karriereplattform LinkedIn führte er bis vor kurzem auf, die AZEK-Weiterbildung zum Certified International Investment Analyst absolviert zu haben. Auf Nachfrage bestätigt Mestrangelo, die Ausbildung zwar besucht, das Zertifikat aber nicht erworben zu haben. Mittlerweile ist der Eintrag mit Studiengang besucht, aber nicht abgeschlossen ergänzt.
Hinweis der Redaktion: Fuw bezieht sich bei der Nennung des aktuellen Umsatzes von 500’000 Fr. auf eine Investorenpräsentation, die ihr von Medicrops zugestellt worden ist. Nach der Publikation des Artikels hat Medicrops den aktuellen Umsatz in einer schriftlichen Stellungnahme auf 3 Mio. Fr. korrigiert.